T.Schmehrer
               
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6- Schluss
7- Literatur

 

T. Schmehrer: Geografische und historische Perspektiven des Kulturlandschaftswandel am Beispiel des Triftwesens in der Bayerischen Pfalz 1816-1860, Mitteilungen der Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz, Nr. 15/1998


EINLEITUNG

1.1    Problemstellung

Die Analyse kulturlandschaftlicher Relikte stellt einen wichtigen methodischen Ansatz dar, um sowohl Momentaufnahmen als auch Entwicklungen von Kulturlandschaften zu verstehen. Die in vielen Teilen des Pfälzerwaldes zu findenden Triftanlagen aus dem vergangenen Jahrhundert können als solche kulturlandschaftlichen Strukturen angesehen werden. Sie haben ihren Charakter bis in unsere Zeit weitgehend bewahren können und sind somit zu persistenten Elementen der Kulturlandschaft Pfälzerwald geworden. Zu ihrer Erforschung bedarf es einer Aufdeckung der Prozesse, die diesen Wandel der historischen Umwelten hervorriefen. Mit Hilfe eines Ansatzes, der sowohl historisch-geographische als auch umweltgeschichtliche Arbeitsweisen berücksichtigt, sollen die Hintergründe dieser historischen Mensch-Umwelt-Beziehung aufgedeckt werden. Auf die möglichen Perspektiven, die sich aus diesem interdisziplinären Ansatz heraus ergeben, ist im einzelnen einzugehen.

Ausgehend von der Fragestellung, inwieweit die Flößerei Impulse für eine geordnete Waldwirtschaft gab und inwiefern sich dieses Spannungs­verhältnis zwischen Forstwirtschaft und Holztransport auf den Wald auswirkte, soll die Raumwirksamkeit menschlicher Aktivitäten - i.e. der Ausbau des Triftwesens in der bayerischen Pfalz - auf die Kulturlandschaft Pfälzerwald untersucht werden.

Zur Verdeutlichung dieser Thematik ist es zunächst notwendig, näher auf die Bedeutung und Entwicklung des Triftwesens im Pfälzerwald einzugehen. In einem weiteren Kapitel soll die Situation der pfälzischen Wal­dungen während der französischen Besatzungszeit und des Empires kurz dargestellt werden, um in der Folge den Waldbau in der bayerischen Rheinprovinz vorzustellen. Im abschließenden Kapitel wird dargelegt wie die indirekten und direkten Auswirkungen des Triftwesens die Kulturlandschaft verändert haben und noch immer verändern.

1.2    Quellenlage

Die in dieser Arbeit zur Verwendung gekommenen Unterlagen gliedern sich hinsichtlich ihrer Gattung zunächst in die seriellen Lokalvisitationsprotokolle, einzelne handschriftliche Holzpreislisten, Forstrevierskarten, Konstruktionspläne und verschiedene Akten.

Bis auf eine Akte aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Bay. HStA) stammen alle Materialien aus dem Landesarchiv Speyer (LA Speyer). Die Visitationsprotokolle sind im Bestand H 5 (Regierung der Pfalz» Kammer der Forsten) untergebracht, Im Bestand Q 22 (Akten des Königlichen Triftamtes) befinden sich die verwendeten Holzpreislisten, Konstruktionspläne und sonstigen Triftakten. Die Forstrevierskarten sind im Bestand W l zusammengefaßt.

An gedruckten Quellen wurden die Amts- und Intelligenzblätter des Rheinkreises; die Floßordnungen, die Publikationen zur Forstverwaltung Bayerns; die Waldstandsübersichten, die Forstwirtschaftlichen Mitteilungen, die Forstwirtschaftliche Skizze von Martin und Stadtmüller; einige kleinere Publikationen über die Streunutzung und verschiedene statistisch-topographische Schilderungen von Rheinbaiern verwendet.

1.3    Forschungsstand

Mit der Erforschung und Erklärung von früheren Erscheinungen auf der Erdoberfläche beschäftigt sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts insbesondere die Historische Geographie. Obwohl als eigenständige Disziplin zumindest im deutschsprachigen Raum bis heute immer noch um eine Etablierung im Fächerkanon ringend, gilt die Historische Geographie als Wegbereiterin einer auf die Entwicklung funktionaler und prozessualer Strukturen hin ausgerichteten Untersuchung des anthropogenen Raumes. Die unzähligen Arbeiten, die unter dem Titel "Historische Geographie" publiziert wurden, liefern wertvolle und richtungsweisende Beiträge zur Entstehung und zur Veränderung historischer und heutiger Kulturlandschaften.

Gegen Ende der 60er Jahre artikulierte sich in den USA ein Forschungsansatz in der Geschichtswissenschaft, der sich intensiv mit dem Verhältnis des Menschen und seiner historischen Umwelt auseinandersetzt.  Neben der anglo-amerikanischen 'environmental history" entwickelte die französische Sozialgeschichte der Annales-Schule in engem Zusammenhang mit der Geographie die Methodik der 'histoire totale', einer Geschichtsschreibung, die die Geschichte als eine Geschichte aller denkbaren Lebensbereiche (Umwelt) des Menschen verstanden wissen will.  Seit gut zehn Jahren hat sich auch in der deutschen Geschichtswissenschaft eine historische Umweltforschung herausgebildet. Zwar beherrschen hier noch definitorische und methodische Überlegungen das Bild der Veröffentlichungen, doch zeigen die jüngst erschienenen Arbeiten eine deutliche Tendenz zu einer mehr objektbezogenen Auseinandersetzung mit der Erforschung des Mensch-Umwelt Verhältnisses in historischer Perspektive. Die Darstellung der historischen Waldverhältnisse ist ebenfalls Gegenstand verschiedener Wissenschaftsdisziplinen.

Grundlegende und nach dem Umfang der Publikation am stärksten vertretene Wissenschaft ist zunächst die Forstgeschichte. Aber auch die Geographie hat sich seit Robert Gradmann und Otto Schlüter eingehend mit der Entwicklung prähistorischer und historischer Wälder befaßt. Die Arbeit von Müller-Wille über die Aufgaben einer waldgeographischen Forschung am Beispiel von Westfalen setzte hier erste Maßstäbe einer geographischen Untersuchung der Kulturlandschaft Wald. Ihr folgen die Arbeiten Tichys, Firbas, Ellenbergs und Windhorsts mit weiteren Studien über frühere Waldverhältnisse bzw. methodischer Ansätze zu einer genetischen Waldgeographie.

Aus dem Bereich der Historischen Geographie gibt es vergleichsweise wenige Einzelstudien zur Entwicklung von Waldgebieten, allerdings schließen die vielen Arbeiten, die eine Untersuchung zur Kulturlandschaftsgenese zum Thema haben, den Wald oftmals in ihre Darstellung mit ein. Durch die Kontroverse um die 'Holznot' in der Neuzeit erhielt die Geschichtswissenschaft entscheidende Impulse für eine Beschäftigung mit dem historischen Wald als Umwelt des Menschen. Hier sind vor allem die Studien von Sieferle, Radkau und Allmann zu nennen, die das Spannungsfeld zwischen der Entwicklung des Waldwesens und der lebenswichtigen Ressource Holz von einer wirtschafts-, sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Sicht her untersuchen.


Friedrich Tichy: Die Land- und Waldwirtschaftsförmationen des Kleinen Odenwalds. - (= Heidelberger Geographische Arbeiten, 3), Heidelberg 1958; 

Franz Firbas: Spät- und nacheiszeitliche Waldgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen. - 2 Bde, Jena 1949-52; 

Heinz Ellenberg: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer Sicht. - 3., verb. Aufl., Stuttgart 1982; 

Hans-Wilhelm Windhorst: Geographie der Wald- und Forstwirtschaft. - (= Teubner Studienbücher der Geographie), Stuttgart 1978.


Weitere umwelthistorische Studien, die den Wald zum Gegenstand haben, liefern die Arbeiten von Barthelmeß, Imiger und Ernst.

Speziell zum Pfälzerwald, der mit seinen rund 1770 km2 das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands darstellt, ist außer der Arbeit von Keiper aus dem Jahre 1930 noch keine umfassende Darstellung der Geschichte des pfälzischen Waldwesens vorgelegt worden. Alle späteren Untersuchungen beschränken sich im Gegensatz zur Keiperschen Arbeit entweder auf einen bestimmten Zeitraum oder auf einen speziellen Teil des Pfälzerwaldes.

Die Arbeit des Oberforstrates Keiper bietet immer noch einen guten Einstieg in die Geschichte der Forstwirtschaft des Pfälzerwaldes, allerdings sind seine Wertungen über die Organisationsformen des Waldwesens nicht unproblematisch, zeigen sie doch eine generelle Tendenz zu einer Überbewertung der Leistungen der herrschaftlichen Einflußnahme bzw. dem normativen Umgang mit dem damaligen Waldbestand.

Schon zwei Jahre nach der Veröffentlichung von Keiper erschien die Arbeit von Rudolf Hoffmann über "Forsteinrichtung und Waldbau in der Pfalz vom Jahre 1780 bis zum Jahre 1825". Insbesondere die waldbaulichen Tätigkeiten der ersten Jahre der bayerischen Zeit behandelt Hoffmann sehr ausführlich. Leider beschränkt er die Gründe für die Maßnahmen der Forstverwaltung auf rein forstliche und waldbauliche Ursachen. Die Auswirkungen, die das Forstwesen der bayerischen Rheinprovinz auf die Wälder der Pfalz hatte, werden überhaupt nicht behandelt. Auch geht über seine forstkundlichen Ausführungen die Einbettung der französischen Forsteinrichtung in das geschichtliche Umfeld völlig unter. Genau dieses vermag die 1959 von Schattner vorgelegte Arbeit über das französische Forstwesen im Departement Donnersberg besonders gut zu leisten. Seine Studie erlaubt einen Einblick in die Bemühungen der Franzosen um einen Aufbau einer effektiven Forstverwaltung in der Pfalz.

Im selben Jahr erscheint die Arbeit über die Waldungen des Nordpfälzer Berglandes von Anneliese Sturm. Die Autorin zeigt hier Entwicklungslinien der Forstwirtschaftsformationen über einen Zeitraum von 300 Jahren auf. Die geographische Ausbildung Sturms wird besonders in ihren Ausführungen über die Auswirkungen der forstwirtschaftlichen Maßnahmen auf die Kulturlandschaft deutlich.

Einen weiteren Beitrag zur Geschichte der Wälder der Pfalz leistet Frenzel mit seiner im Pfalzatlas erschienenen Karte über "Die historischen Wälder der Pfalz" aus dem Jahre 1967. Mit dem dazugehörigen Textband bietet diese Karte einen guten Überblick über die Entwicklung der einzelnen Waldgrenzen und die Waldnamen der pfälzischen Waldungen. Allerdings geht seine Studie über eine Beschreibung der herrschafflichen Eigentumsverhältnisse nicht hinaus und bringt daher keine neuen Erkenntnisse zur Geschichte des Pfälzerwaldes.

Mit der 1987 erschienenen Sammelschrift "Der Pfälzerwald. Porträt einer Landschaft" wird von den Herausgebern der Versuch unternommen, "das bislang noch fehlende Standardwerk über den Pfälzerwald in reichhaltiger Ausstattung zu schaffen". Die eher landeskundlich angelegte und an einen breiten Leserkreis gerichtete Veröffentlichung bringt jedoch speziell zur Forstgeschichte des Pfälzerwaldes keine neuen Forschungsergebnisse, gleichwohl stellt sie eine gut lesbare Einführung in den Gesamtkomplex Pfälzerwald dar.

Von anderer Qualität erweist sich die schon erwähnte Arbeit von Allmann. Auf der Grundlage einer breiten Quellenbasis versucht der Autor, am Beispiel des Pfälzer Raumes, Quer- und Längsprofile des historischen Waldwesens über drei Jahrhunderte hinweg aufzuzeigen. Besonderen Wert legt er dabei auf die Rolle des Waldes als soziales Konfliktfeld. Seine sozialgeschichtliche Untersuchung macht nicht nur auf Stabilität und Kontinuität des Waldwesens der frühen Neuzeit aufmerksam, sondern arbeitet zugleich auch außerordentlich drastische Nutzungs- und Mentalitätsveränderungen heraus. Leider schließt Allmanns Studie das 19. Jahrhundert nicht mehr mit ein, so daß dieses an sozialen Konflikten so reiche Zeitalter bezüglich des Waldwesens im pfälzischen Raum noch immer einer erschöpfenden Darstellung harrt.

Diese Lücke vermag auch die 1992 von Fenkner-Voigtländer vorgelegte Arbeit über das Waldwesen des Elmsteiner Waldes für den Zeitraum von 1780 bis 1860 nicht zu schließen. Ihre Untersuchung besticht durch die forstwissenschaftliche Interpretation der verwendeten Quellen, be­schränkt sich aber fast ausschließlich auf die Darstellung der forstwirtschaftlichen Entwicklung des Elmsteiner Waldes. Im Hinblick auf die Historische Geographie und die Umweltgeschichte könnte diese Arbeit durch eine Einbeziehung von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Aspekten einem interdisziplinären Ansatz gerecht werden.

Ähnlich wie zur Geschichte der pfälzischen Wälder gibt es auch zum Triftwesen der Pfalz keine grundlegende Arbeit. Die zahlreichen Veröffentlichungen in Jahrbüchern, Heimatkalendern und Zeitschriften können, abgesehen von einigen Ausnahmen, nur als lokale Streiflichter einer Transporteinrichtung von regionaler Dimension angesehen werden. Angesichts der guten Quellenlage (s.o.), besonders zur Blütezeit der Trift in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ist es verwunderlich, daß sich die meisten Untersuchungen zum Triftwesen der Pfalz fast ausschließlich auf die bloße Beschreibung der technischen Einrichtungen, ihrer Funktion und Entwicklung über die Jahrhunderte beschränken. Die wirtschaftliche und soziale Dimension wird zumeist nur am Rande beleuchtet und die möglichen Auswirkungen auf die Kulturlandschaft des Pfälzerwaldes wurden bisher überhaupt noch nicht untersucht.

 

 

 

 

 

 

 


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