6- Schluss
               
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T. Schmehrer: Geografische und historische Perspektiven des Kulturlandschaftswandel am Beispiel des Triftwesens in der Bayerischen Pfalz 1816-1860, Mitteilungen der Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz, Nr. 15/1998


SCHLUSS

Die Untersuchung der historischen Mensch-Umwelt-Beziehungen und deren räumlichen Auswirkungen spricht einen Grenzbereich der geographischen und historischen Forschung an, der nach einer besonderen Vorgehensweise der Untersuchung verlangt.

Die einzelnen Disziplinen besitzen zwar von ihren interdisziplinären Ansätzen her gute Voraussetzungen, sich mit dieser Materie auseinanderzusetzen, doch verhindern die unterschiedlichen Sichtweisen eine umfassendere, allen Gesichtspunkten gerecht werdende Betrachtung. Die jeweiligen, in den einzelnen Disziplinen erzielten Ergebnisse werden dabei oft lediglich als eine ergänzende Informationsbereitstellung interpretiert. Bei der Erforschung historischer Kulturlandschaften kommt es jedoch nicht darauf an, welche Disziplin sich welcher Aufgabe widmet, sondern es müssen vielmehr alle zur Erhellung des Forschungsgegenstandes wichtigen Problembereiche berücksichtigt und die vorhandenen Quellen, welcher Art sie auch sind, gleichgewichtig eingebracht werden. Ein neues fächerübergreifendes Forschungsparadigma, das Mücke für die Historische Geographie als 'Integrationswissenschaft' vorschlägt, ist deshalb nicht vonnöten. Als mögliche und offenkundige Perspektive einer künftigen Auseinandersetzung mit historischen Kulturlandschaften sollte vielmehr nach einer verstärkten interdisziplinären Zusammenarbeit, auf der Basis einer Verständigung auf ein gemeinsames Forschungsziel, gesucht werden, die einer holistischen Betrachtungsweise Rechnung trägt.

Vor dem Hintergrund der theoretischen Vorüberlegungen sollte dieser interdisziplinäre Ansatz an einem konkreten Raumbeispiel überprüft werden. Anhand der leitenden Fragestellung, inwieweit das Triftwesen Impulse für eine geordnete Waldwirtschaft gab, und wie sich dieses Spannungsverhälmis zwischen Forstwirtschaft und Holztransport auf die historische Kulturlandschaft Wald auswirkte, sollte die Problematik der Mensch-Umwelt-Beziehungen in historischer Perspektive zumindest von historisch-geographischer als auch von historischer Seite aus beleuchtet werden. Durch die Intention der Arbeit, einen möglichen Ansatz zur Erforschung historischer Kulturlandschaften aufzuzeigen, konnte auf viele andere, ebenfalls wichtige geographische und historische Aspekte nicht näher eingegangen werden.

Mit dem Beispiel der Darstellung der Auswirkungen der Trift und des Waldbaus, sowohl auf die historische als auch die heutige Kulturlandschaft, wurde gezeigt, daß die Entstehung bzw. der Wandel einer histori­schen anthropogenen Umwelt von vielfältigen, teilweise miteinander verknüpften Faktoren abhängig ist.

Interessant ist dabei die Tatsache, daß diese Faktoren sich keinesfalls in unmittelbarer Nähe oder gar in der untersuchten Kulturlandschaft selbst befinden müssen. Sie werden viel eher von außen in sie hinein getragen. Auf das pfälzische Triftwesen angewendet bedeutet dies, daß bei der Untersuchung der Kulturlandschaft des Neustadter Tals mit seinen angrenzenden Waldungen nicht nur ausschließlich das eigentliche Triftgebiet betrachtet werden sollte, sondern auch diejenigen Raumausschnitte mit einzubeziehen sind, in denen sich diese für einen Wandel der Kulturlandschaft verantwortlichen Faktorenkomplexe befinden.

Die Rheinebene als Hauptabsatz- und Verarbeitungsgebiet des aus den pfälzischen Waldungen geflößten Holzes ist als ein solcher Raumausschnitt anzusehen, in dem sich menschliches Wollen und Handeln konkretisiert.

Aus diesem Zusammenhang heraus läßt sich die Interdependenz der Kulturlandschaft mit den einzelnen Faktoren erkennen. Die Umgestaltung der Kulturlandschaft durch den Menschen hatte nämlich zur Folge, daß sich bestimmte natürliche und naturnahe Verhältnisse in einer Weise wandelten, daß dies eine Korrektur des Verhaltens bzw. Handeln der Menschen auf die sich neu stellende Situation bewirkte.

Wenn also mit dem Triftwesen eine fortschreitende Devastierung der übernutzten Waldungen aufgehalten wurde, diese Waldbereiche dann mit Nutzholzarten wieder aufgeforstet werden konnten, so ergaben sich daraus unter Umständen für bestimmte Gewerbe neue Aspekte hinsichtlich des Standortes bzw. der Wirtschaftlichkeit ihres Unternehmens.

Der Wandel der Kulturlandschaft des Pfälzerwaldes stellt sich uns folglich als ein äußerst komplexes Wirkungsgefüge dar, in dem der Trift, als scheinbar nebensächlicher Komponente einer irgendwie gearteten Wirtschaftsweise, eine hohe politische, soziale und kulturräumliche Dimension zukommt. Der auf den ersten Blick einfache Vorgang des Holztransportes offenbart sich mit einem Mal als Ausdruck menschlicher Bedürfnisse und Ideen und wird damit zu einem wirksamen Instrument der Umgestaltung der Kulturlandschaft. Die dabei entstehenden Freiräume für einen geordneten Waldaufbau wurden somit zum bestimmenden Faktor einer Kulturlandschaftsentwicklung des Pfälzerwaldes.

Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, daß der Wandel der historischen Umwelt auf direktem oder indirektem Wege erfolgen konnte. In jedem Fall wurden aber die menschlichen Aktivitäten schon sehr bald zu persistenten und dynamischen Elementen einer sich im dauernden Wandel befindlichen Kulturlandschaft. Gerade diese immer wieder neu eingefügten Elemente machen das eigentliche Wesen einer Kulturlandschaft aus. Denn Kulturlandschaften sind vom Menschen gestaltete Räume, und nur "die Sinngebung und Zwecksetzung des Menschen entscheide über das, was in der Kulturlandschaft an Strukturen geschaffen werde und an Prozessen ablaufe."

 

 

 

 

 

 

 


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